In der sportkompetitiven Welt, in der Athleten und Coaches ständig nach Wegen suchen, um ihre körperliche und mentale Leistungsfähigkeit zu verbessern, treten Atemübungen zunehmend in den Vordergrund. Atemübungen, auch als «Breathwork» bekannt, haben sich als wirksame Werkzeuge zur Reduktion von Stress und Verbesserung der Stimmung erwiesen. Eine kürzlich durchgeführte Studie mit dem Titel „Brief structured respiration practices enhance mood and reduce physiological arousal” von Melis Yilmaz Balban et al. (2023) belegt eindrucksvoll die positiven Auswirkungen von Atemübungen auf das emotionale und physiologische Wohlbefinden.
Dieser Artikel gibt Athleten und Coaches einen umfassenden Überblick über die Vorteile von strukturierten Atemtechniken und wie sie in den Trainingsalltag integriert werden können. Wir werden uns nicht nur auf die Studie von Balban et al. stützen, sondern auch andere wissenschaftliche Arbeiten heranziehen, die die Effekte von Atemübungen auf die physische und psychische Gesundheit belegen. Ich lade jeden Coach und Athleten ein, sich mit dem Thema der Atmung tiefer auseinander zu setzen als bisher, denn es liegt ein grosses Potential bereit – auch wenn wir alle heute schon atmen. Aber tun wir dies richtig?
Atemübungen im Vergleich zu Achtsamkeitsmeditation: Eine neue Perspektive
Die Studie von Balban et al. (2023) untersuchte den Einfluss von drei verschiedenen Atemübungen auf die Stimmung und den Stresslevel der Probanden im Vergleich zu einer Achtsamkeitsmeditation. Dabei wurden drei spezifische Atemtechniken getestet: Zyklisches Seufzen, Box-Atmung und zyklische Hyperventilation mit Luftanhalten. Alle Atemübungen wurden über einen Zeitraum von vier Wochen täglich für fünf Minuten durchgeführt.
Ein zentraler Befund der Studie war, dass Atemübungen, insbesondere das zyklische Seufzen, im Vergleich zur Achtsamkeitsmeditation effektivere Ergebnisse bei der Verbesserung der Stimmung und der Reduktion der physiologischen Erregung (z. B. Atemfrequenz und Herzfrequenz) erzielten. Laut den Autoren: „Zyklisches Seufzen erzielte eine größere Verbesserung der Stimmung und eine Reduzierung der Atemfrequenz im Vergleich zur Achtsamkeitsmeditation“ (Balban et al., 2023).
Was ist Zyklisches Seufzen?
Zyklisches Seufzen ist eine Atemtechnik, die sich durch eine verlängerte Ausatmung auszeichnet. Die Technik ahmt das natürliche Seufzen nach, das häufig spontan auftritt, wenn der Körper Stress abbaut oder eine Art Erleichterung verspürt. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass Seufzen eine wichtige Funktion in der Regulierung des autonomen Nervensystems übernimmt, indem es den Parasympathikus aktiviert, der für Entspannung und Erholung zuständig ist (Vlemincx et al., 2016).
In der Studie von Balban et al. zeigte das zyklische Seufzen die besten Ergebnisse bei der Verbesserung der Stimmung und der Reduzierung der Atemfrequenz. Athleten können diese Technik leicht in ihre tägliche Routine integrieren, um sich nach anstrengenden Trainingseinheiten schneller zu erholen und ihre allgemeine emotionale Resilienz zu stärken.
Box-Atmung: Eine bewährte Methode im Leistungssport
Eine weitere in der Studie untersuchte Atemtechnik ist die sogenannte Box-Atmung. Diese Technik, die oft im Militär eingesetzt wird, um die Stressbewältigung und Leistungsfähigkeit zu verbessern, zeichnet sich durch eine gleichmäßige Verteilung von Einatmen, Luftanhalten, Ausatmen und erneutem Luftanhalten aus. Jede Phase dauert in der Regel vier Sekunden.
Die Studie von Balban et al. bestätigte, dass Box-Atmung ähnlich wie zyklisches Seufzen positive Effekte auf die Stimmung und die physiologische Erregung hat. Box-Atmung kann insbesondere für Athleten nützlich sein, die sich in stressigen Wettkampfsituationen befinden und einen klaren Kopf bewahren müssen. Laut der Studie führte Box-Atmung zu einer signifikanten Reduktion des negativen Affekts und half, die tägliche Angst zu reduzieren (Balban et al., 2023).
Diese Technik wird oft im Militär und bei Ersthelfern verwendet, um in stressigen Situationen Ruhe zu bewahren und die Leistungsfähigkeit zu steigern. Studien zeigen, dass Box-Atmung das Herz-Kreislauf-System stabilisiert und die neuronale Aktivität reduziert, was zu einem ruhigeren Gemütszustand führt (Röttger et al., 2021).
Zyklische Hyperventilation: Kontrolle über den Körper gewinnen
Die dritte Atemtechnik, die in der Studie untersucht wurde, war die zyklische Hyperventilation mit Luftanhalten. Diese Technik beinhaltet längere Einatmungen und kürzere Ausatmungen und wird oft in kontrollierten Settings verwendet, um den Körper in einen Zustand erhöhter Wachsamkeit zu versetzen. Hyperventilation kann bei unkontrollierter Anwendung zu Angst und Panik führen, aber in einem kontrollierten Rahmen, wie er in der Studie verwendet wurde, kann sie die Herzfrequenz variieren und dem Athleten ein Gefühl der Kontrolle über seine Physiologie vermitteln.
Obwohl zyklische Hyperventilation nicht so effektiv war wie das zyklische Seufzen bei der Verbesserung der Stimmung, hatte sie dennoch positive Effekte auf das emotionale Wohlbefinden und die physiologische Regulation. Laut der Studie: „Cyclic hyperventilation also produced improvements in mood, though the effects were less pronounced than with cyclic sighing“ (Balban et al., 2023).
Vergleich zu Achtsamkeitsmeditation: Atemarbeit als aktive Intervention
Ein interessanter Aspekt der Studie war der Vergleich der Atemübungen mit der Achtsamkeitsmeditation. Während die Achtsamkeitsmeditation auf der passiven Beobachtung des Atems basiert und oft als Mittel zur Förderung der Selbstwahrnehmung und Entspannung verwendet wird, ist die Atemarbeit eine aktivere Methode, bei der der Atem bewusst kontrolliert und moduliert wird.
Balban et al. fanden heraus, dass Atemübungen eine schnellere und intensivere Verbesserung der Stimmung und der physiologischen Parameter (z. B. Atemfrequenz und Herzfrequenz) bewirkten als die Achtsamkeitsmeditation. Dies liegt möglicherweise daran, dass Atemübungen eine direkte physiologische Veränderung bewirken, während die Achtsamkeitsmeditation eher langfristige Vorteile bietet, die auf einer tieferen mentalen Verarbeitung beruhen. „Obwohl beide Praktiken zu einer Verbesserung der Stimmung führten, hatten Atemübungen schnellere und unmittelbarere Effekte auf die Reduktion der Atemfrequenz und Herzfrequenz“ (Balban et al., 2023).
Physiologische Vorteile der Atemarbeit
Neben den emotionalen Vorteilen von Atemübungen zeigten die Ergebnisse der Studie auch, dass Atemarbeit eine direkte Wirkung auf die Physiologie hat. Alle Atemtechniken führten zu einer signifikanten Reduzierung der Atemfrequenz, was auf eine Aktivierung des Parasympathikus hinweist. Eine niedrigere Atemfrequenz ist oft ein Indikator für Entspannung und Erholung, und die Forscher fanden heraus, dass diese Veränderung eng mit einer Verbesserung der Stimmung korrelierte: „Teilnehmer, die die grösste Reduzierung der Atemfrequenz zeigten, erlebten auch die grösste Verbesserung der positiven Stimmung“ (Balban et al., 2023).
Für Athleten ist dies eine wichtige Erkenntnis, da eine verbesserte Erholung und ein geringerer Stresslevel zu besseren Leistungen und einem reduzierten Verletzungsrisiko führen können. Atemübungen können daher als integraler Bestandteil des Trainings betrachtet werden, um sowohl die körperliche als auch die mentale Gesundheit zu fördern.
Die Bedeutung der Konsistenz: Tägliche Praxis als Schlüssel zum Erfolg
Die Studie betonte auch die Bedeutung der Konsistenz. Die Teilnehmer, die die Atemübungen regelmäßig und konsequent durchführten, zeigten die größten Verbesserungen in Bezug auf Stimmung und Stressreduktion. Laut den Forschern: „Die Atemübungsgruppe zeigte signifikante Verbesserungen über die Zeit, insbesondere bei Teilnehmern, die die tägliche Praxis konsequent durchführten“ (Balban et al., 2023). Dies deutet darauf hin, dass die tägliche Praxis entscheidend ist, um die vollen Vorteile von Atemübungen zu nutzen.
Athleten und Coaches sollten daher darauf achten, Atemübungen regelmässig in ihre Routinen zu integrieren, um langfristige Verbesserungen in Bezug auf emotionale Resilienz und physische Erholung zu erzielen.
Atemarbeit in der Praxis: Tipps für Coaches und Athleten
Wie können Athleten und Coaches Atemübungen in ihren Trainingsalltag integrieren? Hier sind einige praktische Vorschläge:
- Vor dem Training oder Wettkampf: Atemübungen wie das zyklische Seufzen oder die Box-Atmung können helfen, die Nervosität zu reduzieren und die Konzentration zu fördern.
- Während des Trainings: Bei intensiven Trainingseinheiten kann die bewusste Kontrolle der Atmung dazu beitragen, die Ausdauer zu steigern und das Herz-Kreislauf-System zu entlasten. Reine Nasenatmung und bewusstes Atemanhalten nach deem Ausatmen während einer Körperlichen Anstrengung wie Radfahren ist eine tolles Training.
- Nach dem Training: Atemübungen können die Erholung beschleunigen, indem sie den Parasympathikus aktivieren und den Körper in einen Zustand der Ruhe und Entspannung versetzen.
- Stressbewältigung im Alltag: Atemübungen eignen sich auch hervorragend, um den Alltag zu bewältigen. Athleten, die unter Stress stehen, können von regelmässigen Atemübungen profitieren, um ihre emotionale Resilienz zu stärken.
Mittels Audiotrainings kann die Atmung trainiert und optimiert werden, dazu empfiehlt es sich auch mit einem lokalen Oxygene Advantage Instruktor zusammen zu arbeiten um weitere Übungen zu erlernen und zu trainieren.
Fazit: Atemarbeit als Schlüssel zu besserer Leistung und Wohlbefinden
Die Studie von Balban et al. zeigt eindrucksvoll, wie wirkungsvoll strukturierte Atemübungen sein können, um die Stimmung zu verbessern und die physiologische Erregung zu reduzieren. Für Athleten und Coaches bieten Atemübungen eine einfache, aber effektive Möglichkeit, sowohl die körperliche als auch die mentale Leistungsfähigkeit zu steigern.
Durch die tägliche Praxis von Atemübungen wie zyklischem Seufzen oder Box-Atmung können Athleten nicht nur ihre Erholung verbessern, sondern auch ihre emotionale Resilienz stärken und ihre Stressbewältigung optimieren. Atemarbeit ist ein wertvolles Werkzeug, das in keinem Trainingsplan fehlen sollte.
Quellenverzeichnis
- Balban, M. Y., Neri, E., Kogon, M. M., et al. (2023). Brief structured respiration practices enhance mood and reduce physiological arousal. Cell Reports Medicine, 4(1), 100895. Brief structured respiration practices enhance mood and reduce physiological arousal
- Vlemincx, E., Van Diest, I., & Van den Bergh, O. (2016). A sigh of relief or a sigh to relieve: the psychological and physiological relief effect of deep breaths. Physiology & Behavior, 165, 127–135. https://doi.org/10.1016/j.physbeh.2016.07.004
- Röttger, S., Theobald, D. A., Abendroth, J., & Jacobsen, T. (2021). The effectiveness of combat tactical breathing as compared with prolonged exhalation. Applied Psychophysiology and Biofeedback, 46(1), 19–28. https://doi.org/10.1007/s10484-020-09485-w
- Lavretsky, H., Feldman, J. L. (2021). Precision medicine for breath-focused mind-body therapies for stress and anxiety: Are we ready yet? Global Advances in Health and Medicine, 10, 2164956120986129. https://doi.org/10.1177/2164956120986129
- Brown, R. P., & Gerbarg, P. L. (2009). Yoga breathing, meditation, and longevity. Annals of the New York Academy of Sciences, 1172(1), 54-62. https://doi.org/10.1111/j.1749-6632.2009.04394.x