Atemtechniken boomen. Ob zur Leistungssteigerung, zur Stressbewältigung oder zur Behandlung chronischer Krankheiten – Atem wird zunehmend als Werkzeug für Gesundheit, Fitness und mentale Balance erkannt. Doch nicht jede Methode ist gleich. Besonders deutlich wird das beim Vergleich von drei populären Ansätzen: der Buteyko-Methode, der Wim-Hof-Technik und dem Oxygen Advantage System. Dieser Artikel erklärt, was die Buteyko-Methode ausmacht, für wen sie geeignet ist, wie sie wirkt – und wo ihre Grenzen liegen.
Ursprung und Philosophie der Buteyko-Methode
Die Buteyko-Methode wurde in den 1950er-Jahren von Dr. Konstantin Buteyko, einem ukrainischen Arzt und Forscher, entwickelt. Seine zentrale Beobachtung: Viele Menschen atmen zu viel. Nicht im Sinne von zu oft, sondern zu tief und unbewusst. Dieses «chronische Hyperventilieren» führe, so Buteyko, zu einem Ungleichgewicht im Gashaushalt des Körpers, insbesondere zu einem Mangel an Kohlendioxid (CO₂).
Während CO₂ oft als «Abfallgas» betrachtet wird, erkannte Buteyko seine zentrale Rolle für die Sauerstofffreisetzung in den Zellen (Bohr-Effekt) und die Regulation des pH-Werts im Blut. Zu wenig CO₂, so seine These, verschlechtere die Sauerstoffversorgung, überreize das Nervensystem und könne so eine Vielzahl von Symptomen verursachen.
Die Technik: Sanfte Reduktion statt Atem-Power
Im Gegensatz zu kraftvollen oder bewusst stimulierenden Methoden zielt Buteyko auf Reduktion und Normalisierung der Atmung. Typische Elemente sind:
- Nasenatmung (auch nachts)
- Reduktion des Atemvolumens
- Atempausen nach dem Ausatmen (Control Pause)
- Entspannungsübungen
- Schulung der Körperwahrnehmung
Ein zentrales Diagnose- und Trainingsinstrument ist die «Control Pause»: Dabei misst man die Dauer, die man nach normalem Ausatmen ohne Luftnot pausieren kann. Eine niedrige Control Pause (unter 20 Sekunden) weist laut Buteyko auf eine dysfunktionale Atmung hin.
Für wen ist die Buteyko-Methode?
Die Methode richtet sich nicht primär an gesunde Leistungssportler, sondern an Menschen mit chronischen oder funktionellen Beschwerden. Dazu zählen:
- Asthma
- Schlafapnoe, Schnarchen
- Angst- und Panikstörungen
- Bluthochdruck
- Chronische Erschöpfung
- Long COVID
- Heuschnupfen
- Kieferfehlstellungen (bei Kindern)
Auch Menschen mit Konzentrationsproblemen oder ADHS berichten von Verbesserungen. Die Methode wird in spezialisierten Kliniken, Online-Kursen und zunehmend auch in der Logopädie oder Zahnmedizin eingesetzt.
Wissenschaftlicher Hintergrund: Was sagt die Forschung?
Die klinische Datenlage zur Buteyko-Methode ist zwar noch begrenzt, aber vielversprechend. Studien zeigen:
- Asthma: Mehrere randomisierte kontrollierte Studien belegen eine signifikante Reduktion von Symptomen, Medikamentenbedarf und Hyperventilationsneigung.
- Schlafapnoe: Kleine Pilotstudien weisen auf eine verbesserte Schlafqualität und reduzierte Apnoe-Episoden hin.
- Angststörungen: Erste Hinweise deuten auf eine verbesserte CO₂-Toleranz und geringere Stresssymptome hin.
Kritik gibt es aus Teilen der Schulmedizin, vor allem wegen der teilweise spekulativen Erklärungen. Doch die praktischen Ergebnisse sprechen für sich, vor allem bei Menschen, die mit konventionellen Therapien an Grenzen stoßen.
Wim Hof: Die Gegenthese in Atemform
Während Buteyko auf sanfte, alltagskompatible Regulation setzt, wählt Wim Hof den Weg des maximalen Reizes. Seine Methode kombiniert:
- Intensives Überatmen (Hyperventilation)
- Atemanhalten auf vollen Lungen
- Kälteexposition (Eisbäder, Schneelaufen)
- Willensschulung und mentale Fokussierung
Das Ziel: Kontrolle über autonome Körperfunktionen, Erhöhung der Stressresistenz, Immunstimulation. Studien zeigen, dass Wim-Hof-Praktizierende ihre Immunreaktion aktiv modulieren können – etwa bei Entzündungsreaktionen auf Endotoxine.
Doch der Wim-Hof-Ansatz ist nicht für alle geeignet. Bei Angststörungen, Bluthochdruck oder Atemwegserkrankungen kann das bewusste Hyperventilieren Symptome verschlimmern. Hier bietet Buteyko eine risikoarme, alltagstaugliche Alternative.
Oxygen Advantage: Die sportliche Synthese
Patrick McKeown, ein irischer Atemcoach und enger Schüler von Buteyko, entwickelte mit Oxygen Advantage eine Variante, die sich an gesunde Menschen und Athleten richtet. Sie kombiniert:
- Nasenatmung (auch bei Belastung)
- Atemanhalte-Übungen unter Belastung
- Simulation von Höhentraining (hypoxische Zustände)
- Verbesserung der CO₂-Toleranz
Das Ziel: Verbesserte Ausdauer, schnellere Regeneration, mentale Fokussierung im Wettkampf. Anders als Wim Hof verzichtet Oxygen Advantage auf extremes Überatmen und bleibt physiologisch nah an Buteyko. Doch der Fokus liegt klar auf Leistungssteigerung, nicht auf Symptombehandlung.
Gemeinsame Prinzipien und zentrale Unterschiede
Trotz aller Gegensätze haben alle drei Methoden Gemeinsamkeiten:
- Betonung der Nasenatmung
- Bewusstmachung und Training des Atemmusters
- Einbindung in Alltags- oder Trainingsroutinen
Doch die Unterschiede sind entscheidend:
Merkmal | Buteyko | Wim Hof | Oxygen Advantage |
---|---|---|---|
Zielgruppe | Menschen mit Beschwerden | Gesunde, Abenteurer | Sportler, Biohacker |
Atemstrategie | Reduktion, Sanftheit | Hyperventilation + Reiz | Atemanhalten + Hypoxie |
CO₂-Toleranz | Erhöhung durch Lufthunger | Kurzfristig reduziert | Systematisch trainiert |
Wissenschaftlicher Fokus | Therapie von Atemstörungen | Immunstimulation, Willensstärke | Leistungsoptimierung |
Risiken und Grenzen der Buteyko-Methode
So sanft Buteyko wirkt, auch hier gilt: Nicht alles ist für jeden. Die Methode erfordert Konsequenz und Geduld. Wer schnelle, spektakuläre Resultate sucht, wird möglicherweise enttäuscht. Akute Atemnot oder schwere kardiologische Probleme sollten nicht ohne Rücksprache mit Fachärzt:innen angegangen werden.
Zudem können Atemanhalte-Übungen bei falscher Anwendung zu Schwindel führen. Kinder sollten die Methode nur unter Anleitung lernen.
Integration in den Alltag: So funktioniert’s
Ein Vorteil dieser Technik: Die Methode lässt sich in den Alltag einbauen, ohne große Zeitinvestitionen. Beispiele:
- Morgens: Nasenatmung bewusst trainieren, Control Pause messen
- Im Auto oder beim Spazierengehen: sanfte Atempausen einbauen
- Abends: Entspannungsübungen vor dem Schlafengehen
- Nachts: Nasentape, um Mundatmung zu vermeiden
Viele Nutzer:innen berichten, dass sie durch die Methode wacher, ausgeglichener und stressresistenter werden.
Fazit: Atmen ist individuell – und politisch
Buteyko ist keine Methode für Selbstdarsteller oder Biohacker. Sie ist unspektakulär, aber effektiv. Ihre Wirkung zeigt sich leise: besserer Schlaf, weniger Medikamente, ruhigere Nerven. In einer Welt, die Atem vor allem als Werkzeug für Performance versteht, erinnert Buteyko daran, dass Gesundheit oft mit Reduktion beginnt.
Ob als Therapie bei Asthma, als Lebenshilfe bei Angst oder als Einstieg in eine bewusstere Selbstwahrnehmung: Die Buteyko-Methode ist eine Einladung, den eigenen Atem wieder kennenzulernen. Still. Und nachhaltig.
Buteyko Ausbildung
In eigenere Sache, am 5. Juni 2025 habe ich das Certificate in the Buteyko Breathing Method (CertBBM) erhalten, welches über den Lernaufwand von 120 Stunden und den Erfolgreichen Abschluss der Prüfung in der Buteyko Methode bestätigt.

Quellen:
- Was ist die Buteyko-Methode
- Buteyko Clinic Blog