In der Welt des Hochleistungssports und des intensiven Trainings gibt es eine Vielzahl von Strategien, um die körperliche Leistungsfähigkeit zu optimieren. Ein oft übersehener, aber entscheidender Aspekt ist jedoch die Atmung und ihre Rolle in der Verbesserung der kognitiven Funktionen, des Lernens und der Konzentration. Andrew Huberman, Neurowissenschaftler an der Stanford University und Gastgeber des „Huberman Lab Podcast“, hat eine Fülle von wissenschaftlichen Erkenntnissen zusammengetragen, die uns dabei helfen, zu verstehen, wie das Gehirn auf Lernprozesse und Fehler reagiert und wie wir diese Erkenntnisse gezielt nutzen können, um schneller zu lernen und unsere geistige Fokussierung zu verbessern. So hilft Neuroplastizität im Sport und beim lernen.
Dieser Artikel basiert auf dem Transkript des Huberman Lab Podcast „Using Failures, Movement & Balance to Learn Faster“ und wird durch wissenschaftliche Studien ergänzt, um praktische Strategien für Athleten und Coaches über Neuroplastizität im Sport darzustellen. Wir werden untersuchen, wie die Atmung als Schlüssel zum Erschließen von Lern- und Plastizitätsmechanismen des Gehirns genutzt werden kann.
Wie das Gehirn durch Bewegung und Fehler lernt
In seinem Podcast erklärt Huberman die Bedeutung von Bewegung und Fehlern für das Lernen und die Anpassung des Gehirns. Er betont, dass das Gehirn durch die bewusste Ausführung von Bewegungen und die Analyse von Fehlern in diesen Bewegungen lernt. „Fehler sind die Signale, die dem Gehirn sagen, dass etwas nicht funktioniert und es Änderungen vornehmen muss,“ erklärt Huberman.
Lernen ist demnach keine Frage des „perfekten“ Trainings, sondern vielmehr des systematischen Erkennens und Korrigierens von Fehlern. Studien zur Neuroplastizität zeigen, dass das Gehirn sich kontinuierlich neu verdrahtet, wenn es mit Fehlern konfrontiert wird. Dies gilt insbesondere für Bewegungen und motorische Fähigkeiten, aber auch für kognitive Prozesse.

Die Bedeutung von Fehlern im Lernprozess lässt sich direkt auf sportliche Leistungen übertragen. Athleten, die bereit sind, durch wiederholtes Ausprobieren und Scheitern zu lernen, fördern die Freisetzung von Neurotransmittern wie Dopamin, die die Lernprozesse beschleunigen. Dopamin wird im Gehirn freigesetzt, wenn das Gehirn ein Fortschrittssignal erhält – das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein.
Atmung als Werkzeug zur Verbesserung der Konzentration und Lernfähigkeit
Eine zentrale Rolle in diesem Prozess spielt die Atmung. Huberman betont, dass Atmung nicht nur eine grundlegende physiologische Funktion ist, sondern auch eine direkte Verbindung zum Nervensystem darstellt. Durch gezielte Atemtechniken können Athleten und Coaches die neurochemischen Zustände beeinflussen, die das Lernen und die Konzentration fördern.
Eine der effektivsten Atemtechniken, die Huberman empfiehlt, ist das „physiologische Seufzen“, eine doppelte Einatmung durch die Nase, gefolgt von einer langsamen Ausatmung durch den Mund. Diese Technik aktiviert den Parasympathikus und beruhigt das Nervensystem, was besonders nützlich ist, um in stressigen Momenten die Konzentration wiederherzustellen. Diese Methode kann während intensiver Trainingseinheiten oder in Drucksituationen vor Wettkämpfen angewendet werden, um den Geist zu beruhigen und die kognitive Leistungsfähigkeit zu steigern.
Studien zeigen, dass kontrollierte Atmung die Sauerstoffversorgung des Gehirns verbessert und gleichzeitig die Herzfrequenz senkt, was zu einer erhöhten geistigen Klarheit führt (Bernardi et al., 2001). Für Athleten, die während eines Wettkampfs oder Trainings in einen Zustand der „Flow“-Konzentration gelangen möchten, kann die Atmung daher als Schlüsselwerkzeug dienen.
Die Rolle der Fehlerkorrektur im sportlichen und kognitiven Lernen
Lernen ist eng mit der Korrektur von Fehlern verbunden, wie Huberman in seinem Podcast detailliert erklärt. „Wenn Sie Fehler machen, setzen Sie chemische Signale im Gehirn frei, die signalisieren, dass Veränderungen nötig sind,“ sagt er. Dies bedeutet, dass Athleten, die Fehler in ihrem Training bewusst erkennen und analysieren, den Lernprozess beschleunigen können.
Dieses Prinzip gilt nicht nur für motorische Fähigkeiten, sondern auch für kognitive Aufgaben wie das Erlernen neuer Taktiken oder Strategien im Sport. Laut einer Studie der Knudsen Lab (Nature, 2013) fördert das gezielte Üben und Erkennen von Fehlern in kleinen Schritten die Plastizität des Gehirns, was zu einer langfristigen Verbesserung führt. Richtiges lernen fördert Neuroplastizität im Sport.
Huberman betont, dass Athleten und Coaches die „Fehler als Freunde“ betrachten sollten, denn es sind die Fehler, die das Gehirn darauf aufmerksam machen, dass es neue Verbindungen schaffen muss, um die Leistung zu verbessern. Dieser Ansatz kann in praktisch jedem Trainingsprozess angewendet werden – sei es im Fussball, Tennis oder Gewichtheben.
Neuroplastizität im Erwachsenenalter: Warum kleine Lernschritte entscheidend sind
Ein weiterer Schlüsselpunkt, den Huberman hervorhebt, ist die Fähigkeit des Gehirns, sich auch im Erwachsenenalter anzupassen – allerdings in kleineren Schritten als bei jüngeren Menschen. Erwachsene können neue Fähigkeiten erlernen und ihre kognitive Leistungsfähigkeit verbessern, indem sie sich auf kleine, inkrementelle Lernschritte konzentrieren. In seinem Podcast betont Huberman: „Das Erwachsenenhirn kann enorme plastische Veränderungen durchlaufen, aber es benötigt kleinere Lernschritte pro Episode.“
Das Erwachsenenhirn kann enorme plastische Veränderungen durchlaufen, aber es benötigt kleinere Lernschritte pro Episode.
Dies bedeutet für Athleten, dass sie ihr Training in kleinere, konzentrierte Lerneinheiten aufteilen sollten, um die besten Ergebnisse zu erzielen. Anstatt sich auf lange, intensive Trainingssessions zu fokussieren, empfiehlt Huberman kürzere, aber sehr fokussierte Phasen des Übens, die es dem Gehirn ermöglichen, kleine Fehler zu erkennen und zu korrigieren. Dieser Ansatz des Neuroplastizität im Sport ermöglicht eine kontinuierliche Verbesserung ohne die Gefahr der Überforderung.
Die Rolle des Belohnungssystems beim Lernen
Neben der Korrektur von Fehlern ist das Belohnungssystem ein weiterer zentraler Mechanismus, der das Lernen fördert. Dopamin, das Belohnungshormon, wird freigesetzt, wenn das Gehirn Fortschritte erkennt. Dieses Belohnungssystem kann durch gezielte Strategien verstärkt werden, indem Athleten und Coaches bewusste Anreize schaffen, um das Gefühl von Erfolg und Fortschritt zu verstärken.
Interessanterweise kann Dopamin auch subjektiv freigesetzt werden. Dies bedeutet, dass Athleten lernen können, sich selbst durch positive Selbstgespräche zu motivieren, selbst wenn der unmittelbare Erfolg noch nicht eingetreten ist. Huberman erklärt: „Die Fähigkeit, Dopamin freizusetzen, wenn man Fehler macht, kann das Lernen beschleunigen.“ Dies erfordert jedoch eine bewusste Anstrengung, Fehler nicht als Misserfolg, sondern als wesentlichen Teil des Lernprozesses zu betrachten.
Atmung und das vestibuläre System: Balance und Bewegung zur Steigerung der Plastizität
Ein weiterer faszinierender Aspekt, den Huberman hervorhebt, ist die Verbindung zwischen der Atmung, dem vestibulären System und dem Lernen. Das vestibuläre System, das für das Gleichgewicht und die räumliche Orientierung verantwortlich ist, spielt eine Schlüsselrolle bei der Aktivierung von Plastizitätsmechanismen im Gehirn. Durch Bewegungen, die das Gleichgewicht herausfordern – wie etwa Yoga, Gymnastik oder das Schwimmen – können Athleten die Freisetzung von Dopamin und anderen Neurotransmittern fördern, die die Lernfähigkeit verbessern.

Studien zeigen, dass das vestibuläre System eng mit dem Lernprozess verbunden ist, da es dem Gehirn hilft, die räumliche Orientierung und Bewegung zu interpretieren. Dies bedeutet, dass Aktivitäten, die das Gleichgewicht herausfordern, wie z.B. das Üben von Handständen oder das Schwimmen auf dem Rücken, die Plastizität des Gehirns fördern können (Balaban et al., 2004).
Praktische Anwendungen der Neuroplastizität im Sport für Coaches und Athleten
Für Coaches und Athleten gibt es zahlreiche Möglichkeiten, diese wissenschaftlichen Erkenntnisse in den Trainingsalltag zu integrieren:
- Atemtechniken: Verwenden Sie das physiologische Seufzen, um den Geist in stressigen Situationen zu beruhigen und die Konzentration wiederherzustellen.
- Inkrementelles Lernen: Teilen Sie das Training in kleinere, konzentrierte Einheiten auf, in denen Fehler bewusst erkannt und korrigiert werden.
- Belohnungssysteme: Nutzen Sie das subjektive Belohnungssystem des Gehirns, indem Sie Athleten dazu ermutigen, Fehler als Fortschritte zu betrachten und sich selbst für kleine Erfolge zu belohnen.
- Gleichgewichtsübungen: Integrieren Sie Übungen, die das vestibuläre System herausfordern, um die Plastizität des Gehirns zu fördern und das Lernen zu beschleunigen.
Fazit: Atmung und neurologische Ansätze für optimale Leistungssteigerung
Die Verbindung zwischen Atmung, Bewegung und Neuroplastizität bietet Coaches und Athleten wertvolle Werkzeuge, um die kognitive und körperliche Leistungsfähigkeit zu verbessern. Durch die bewusste Nutzung von Atemtechniken, Fehlererkennung und dem vestibulären System können Athleten nicht nur ihre sportlichen Fähigkeiten verbessern, sondern auch ihre geistige Fokussierung und Konzentration optimieren. Letztlich zeigt die Wissenschaft, dass das Gehirn ständig in der Lage ist, sich anzupassen – vorausgesetzt, es wird richtig stimuliert.
Quellen:
- Huberman, A. „Using Failures, Movement & Balance to Learn Faster.“ Huberman Lab Podcast, 2022.
- Bernardi, L., Porta, C., & Sleight, P. (2001). „Slow Breathing Improves Arterial Baroreflex Sensitivity and Reduces Blood Pressure in Essential Hypertension.“ Circulation.
- Balaban, C. D., & Thayer, J. F. (2004). „Vestibulo-autonomic Interactions: A Teleologic Perspective.“ Neuroscience and Biobehavioral Reviews.
- Knudsen, E. (2013). „Adult Plasticity in Representational Maps: Incremental Learning and Contingency.“ Nature.