Der Kraftraum war erfüllt vom dumpfen Klang schwerer Hanteln, die auf die gummierten Böden prallten. Schweiss rann in gleichmässigen Bahnen über die Stirn des Athleten, der im tiefen Ausfallschritt verweilte. Jede Faser seines Körpers schien unter Strom zu stehen, während er sich nicht bewegte, sondern die Position hielt. Sekunden dehnten sich zu Ewigkeiten. Doch diese scheinbar statische Übung war alles andere als passiv. Sie verkörperte eine Methode, die zunehmend im Training an Bedeutung gewinnt: Tempering.
Doch was ist Tempering eigentlich? Ist es nur ein weiterer Trend, der in den Fitnessstudios die Runde macht, oder eine echte Revolution in der Art und Weise, wie wir Kraft, Schnellkraft und Ausdauer trainieren? Um das zu verstehen, müssen wir tief in die Physiologie des menschlichen Körpers eintauchen und die Rolle der Muskelspannung im Training genauer betrachten.
Die Wissenschaft hinter der Spannung
Muskelspannung ist mehr als nur ein Gefühl – sie ist ein wesentlicher Bestandteil der körperlichen Leistungsfähigkeit. Der Begriff „Tempering“ beschreibt dabei die gezielte Steuerung dieser Spannung. Es geht darum, Muskeln in den idealen Zustand für eine bestimmte Bewegung oder Belastung zu versetzen. Man könnte es mit einem Musiker vergleichen, der seine Gitarre stimmt, bevor er spielt: Ein optimal gespannter Muskel arbeitet effizienter, ist weniger anfällig für Verletzungen und ermöglicht präzisere Bewegungen.
Im Kern basiert Tempering auf der Aktivierung und Steuerung von motorischen Einheiten – den funktionellen Bausteinen unserer Muskeln. Diese Einheiten bestehen aus Nerven und den dazugehörigen Muskelfasern. Ihre Rekrutierung bestimmt, wie viel Kraft ein Muskel erzeugen kann. Doch hier liegt der Clou: Nicht alle motorischen Einheiten werden automatisch aktiviert. Es bedarf bewusster Steuerung, um den Muskel in den optimalen Spannungszustand zu bringen.
Studien haben gezeigt, dass die Art und Weise, wie Spannung erzeugt und gehalten wird, die Trainingsziele massgeblich beeinflusst. Für Maximalkraft, Schnellkraft oder Ausdauer gibt es unterschiedliche Anforderungen an die Muskeln, und genau hier setzt Tempering an.
Tempering im Krafttraining: Das Spiel mit der Schwere
In einem voll ausgestatteten Fitnessstudio in einer belebten Grossstadt beobachte ich Max, einen jungen Athleten, der sich intensiv auf einen Wettkampf vorbereitet. Max hebt schwere Gewichte – doch seine Bewegungen sind nicht hektisch oder von roher Kraft getrieben. Stattdessen hält er die Hantel über Sekunden am tiefsten Punkt seiner Kniebeuge. Man sieht, wie seine Muskeln arbeiten, wie sie unter Spannung stehen und sich zugleich kontrollieren lassen.
„Die Leute denken oft, es geht nur darum, wie viel Gewicht man bewegen kann“, erklärt er mir später. „Aber es geht genauso darum, wie man es bewegt.“
Tempering wird im Krafttraining häufig durch isometrische Übungen und kontrollierte exzentrische Bewegungen umgesetzt. Isometrisch bedeutet, dass der Muskel zwar arbeitet, aber seine Länge nicht verändert. Ein gutes Beispiel ist das statische Halten einer Position – etwa im tiefsten Punkt einer Kniebeuge. Dabei entsteht eine maximale Spannung, die sämtliche motorischen Einheiten des Muskels aktiviert.
Wissenschaftler wie Brad Schoenfeld haben belegt, dass solche Übungen nicht nur die Kraftentwicklung fördern, sondern auch die Stabilität und Beweglichkeit der Gelenke verbessern. Exzentrische Bewegungen – wie das langsame Absenken eines Gewichts – erhöhen ebenfalls die Muskelspannung und stärken die Muskelfasern, die für das Bremsen von Bewegungen verantwortlich sind. Das Ziel ist klar: Effizienz, Kontrolle und maximale Kraft.
Die explosive Seite: Schnellkraft durch gezielte Spannung
Während Krafttraining oft von langsamen und kontrollierten Bewegungen geprägt ist, zeigt sich die andere Seite des Temperings in der Schnellkraftentwicklung. Hier geht es nicht nur um das „Halten“, sondern vor allem um das „Loslassen“. Der Athlet muss lernen, innerhalb von Sekundenbruchteilen maximale Kraft zu entfalten. Plyometrische Übungen wie Box Jumps oder Medizinball-Würfe sind Paradebeispiele für Tempering im Schnellkrafttraining.
Ein Coach erklärt mir: „Der Schlüssel liegt in der richtigen Balance. Wenn ein Muskel zu wenig Spannung hat, wird er nicht genug Kraft entwickeln. Wenn er zu viel Spannung hat, verliert der Athlet an Beweglichkeit und Geschwindigkeit.“
Das Tempering hilft dabei, diese Balance zu finden. Durch kurze, explosive Bewegungen, kombiniert mit einer präzisen Steuerung der Spannung, können die schnellen Typ-II-Muskelfasern optimal trainiert werden. Sie sind dafür verantwortlich, dass ein Sprinter in Sekunden von null auf hundert beschleunigen oder ein Gewichtheber die Langhantel mit einem explosiven Ruck über den Kopf bringen kann.
Die Ausdauerperspektive: Langfristige Kontrolle
In einer ganz anderen Ecke des Sporttrainings – dem Ausdauerbereich – zeigt Tempering eine weitere Facette. Hier geht es nicht um Maximalkraft oder explosive Schnellkraft, sondern um die Fähigkeit, über längere Zeiträume eine konstante Leistung zu erbringen. Wer denkt, dass dies allein von der Herz-Kreislauf-Fitness abhängt, unterschätzt die Rolle der Muskulatur.
Beim Laufen, Radfahren oder Schwimmen müssen die Muskeln effizient arbeiten, um Energie zu sparen. Tempering wird hier genutzt, um eine moderate Muskelspannung aufrechtzuerhalten. Es sorgt dafür, dass unnötige Bewegungen minimiert und nur die benötigten Muskelfasern aktiviert werden.
Ein erfahrener Marathonläufer erzählt mir, wie er durch Tempering gelernt hat, „leichter“ zu laufen: „Ich habe früher immer zu viel Kraft in jeden Schritt gelegt. Jetzt weiss ich, dass es auf die richtige Spannung ankommt.“ Diese Erkenntnis hat ihn schneller gemacht – und seine Verletzungsanfälligkeit reduziert.
Die Wissenschaft unterstützt diese Beobachtung. Eine optimierte Muskelspannung verbessert die Sauerstoffnutzung und spart Energie, was die Ausdauerleistung steigert. Progressive Muskelentspannungstechniken und gezielte Aktivierungsübungen vor dem Training helfen, diese Spannung zu regulieren.
Tempering im Curling: Präzision auf dem Eis
Eine überraschende Anwendung findet Tempering im Curling, einer Sportart, die sowohl Präzision als auch körperliche Kontrolle erfordert. Wer Curling nur als eine taktische Eisschachpartie wahrnimmt, übersieht die physischen Anforderungen, die hinter dem präzisen Abgeben des Steins und dem intensiven Sweeping (Wischen) stecken.
Beim Curling wird Tempering eingesetzt, um die Balance zu verbessern und die muskuläre Kontrolle zu schärfen. Ein Athlet, der sich für das Abgeben des Steins in die Ausfallschritt-Position begibt, muss eine feine Balance zwischen Anspannung und Entspannung finden. Halteübungen in dieser Position – kombiniert mit gezieltem Widerstandstraining – schärfen nicht nur die Kraft, sondern auch das Körpergefühl.
Das Sweeping wiederum erfordert eine explosive, aber koordinierte Muskelarbeit. Durch plyometrische Übungen wie Medizinball-Würfe oder simuliertes Sweep-Training mit hoher Intensität lässt sich die benötigte Kraft und Ausdauer effizient trainieren.
Regeneration und Verletzungsprävention
Tempering endet nicht mit der letzten Wiederholung oder dem finalen Wettkampfmoment. Nach dem Training wird es eingesetzt, um die Muskeln wieder in einen entspannten Zustand zu bringen und die Regeneration zu fördern. Progressive Muskelentspannungstechniken, bei denen die Muskeln gezielt angespannt und dann losgelassen werden, unterstützen diesen Prozess.
Eine Schwimmerin beschreibt es so: „Nach einem intensiven Wettkampf ist das Tempering meine Geheimwaffe, um schneller wieder fit zu werden. Es hilft mir, Verspannungen zu lösen und mich mental zu entspannen.“
Das Fazit: Die Kunst des Temperings
Tempering ist weit mehr als nur eine Technik – es ist eine Kunst, die das Training auf ein neues Level hebt. Egal, ob es darum geht, maximale Kraft aufzubauen, explosive Schnellkraft zu entwickeln oder die Ausdauer zu verbessern, das gezielte Spiel mit der Muskelspannung eröffnet Athleten völlig neue Möglichkeiten.
Durch wissenschaftliche Erkenntnisse gestützt, hat sich Tempering als effektive Methode etabliert, um die Leistung zu steigern, Verletzungen vorzubeugen und die Regeneration zu fördern. Es ist ein universelles Werkzeug, das für verschiedene Sportarten und Trainingsziele angepasst werden kann – von der Hantelbank bis hin zum Eisfeld.
In der modernen Welt des Trainings ist Tempering keine Option mehr, sondern eine Notwendigkeit. Es ist die Verbindung von Wissenschaft und Praxis, von Kontrolle und Kraft. Es ist die stille Revolution, die sich in den Bewegungen eines Athleten widerspiegelt – sei es beim Heben, Springen, Laufen oder Gleiten. Tempering ist die Zukunft, und die Zukunft hat gerade erst begonnen