Atmen ist die grundlegendste Funktion unseres Körpers, die von Geburt an automatisch abläuft. Doch wer sich nie bewusst mit seiner Atmung auseinandersetzt, verpasst eine enorme Chance, Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu optimieren. Besonders für Coaches und Athleten lohnt es sich, die eigene Atmung zu hinterfragen – denn richtiges Atmen ist weit mehr als nur ein lebensnotwendiger Reflex. Zwischen den Jahren ist ein guter Zeitpunkt etwas neues probieren und eventuell im neuen Jahr die Atmung zu verbessern.
Warum die Atmung wichtig ist
Stresssituationen, wie ein Wettkampf oder eine intensive Trainingseinheit, beeinflussen oft unbewusst unsere Atmung. Die Folge: Wir atmen schneller und flacher. Doch was passiert, wenn wir unsere Atmung nicht nur dem Stress überlassen, sondern aktiv gestalten?
Ein Selbstexperiment
Um ein besseres Gefühl für die eigene Atmung zu bekommen, gibt es ein einfaches Experiment:
Lege die linke Hand auf deine Brust und die rechte Hand auf deinen Bauch. Atme normal weiter und beobachte für 30 Sekunden, welche Hand sich stärker bewegt.
Wenn sich die rechte Hand mehr hebt und senkt, dominierst du die Bauchatmung – eine optimale Atemtechnik. Bewegt sich jedoch die linke Hand stärker, bist du eher in der Brustatmung. Doch was macht das für einen Unterschied?
Bauch- vs. Brustatmung
Die Macht der Bauchatmung
Die Bauchatmung, auch Zwerchfellatmung genannt, hat eine Vielzahl positiver Effekte. Studien zeigen, dass sie Stress reduzieren, das Cortisollevel senken und den Körper vor oxidativem Stress schützen kann. Sie erhöht die antioxidative Kapazität des Körpers und fördert somit die Regeneration (1).
Das Problem der Brustatmung
Bei der Brustatmung wird vorwiegend mit den Zwischenrippenmuskeln geatmet, was anstrengender ist und die Lungenkapazität schlechter ausnutzt. Um dennoch genug Sauerstoff aufzunehmen, erhöht sich die Atemfrequenz. Diese oberflächliche, schnelle Atmung kann langfristig zu einer Überatmung führen – und die bringt mehr Probleme mit sich, als man denkt.
Biochemie der Atmung – Der Bohr-Effekt
Atmen bedeutet nicht nur Sauerstoff aufzunehmen, sondern auch Kohlenstoffdioxid (CO₂) abzugeben. Dabei spielt der sogenannte Bohr-Effekt eine entscheidende Rolle:
Je höher der CO₂-Gehalt im Blut, desto besser kann Hämoglobin Sauerstoff an die Zellen abgeben. Atmen wir jedoch zu viel CO₂ aus, bleibt der Sauerstoff im Blut «gefangen».
Chronischer Sauerstoffmangel
Übermässige Atmung – oft unbemerkt – kann zu einem Sauerstoffmangel führen, der schwerwiegende Symptome verursachen kann, wie:
- Atemnot oder das Gefühl, nicht richtig durchatmen zu können
- Schwindel, Konzentrationsprobleme, Kopfschmerzen
- Kalte Hände und Füsse
- Angst und depressive Verstimmungen (2)
Die gute Nachricht: Mit gezielten Atemübungen lassen sich diese Beschwerden häufig lindern.
Weniger Atmen für mehr Sauerstoff?
Weniger atmen klingt zunächst kontraintuitiv, macht aber physiologisch Sinn. Eine langsamere Atemfrequenz sorgt für ein besseres Gleichgewicht der Atemgase und optimiert die Sauerstoffversorgung des Körpers.
Die optimale Atemfrequenz
Während die meisten Menschen 12–20 Atemzüge pro Minute machen, zeigen Studien, dass eine Frequenz von 5–10 Atemzügen ideal ist. Bei sechs Atemzügen pro Minute erreicht die Herzratenvariabilität – ein Mass für Entspannung – ihren Höchstwert (3).
Selbst bei nur acht Atemzügen pro Minute konnten Blutdruck und Herzfrequenz innerhalb von fünf Minuten signifikant gesenkt werden (4). Ganz ohne Medikamente, nur durch langsames Atmen.
Entwickle ein Atembewusstsein
Um das eigene Atmen zu optimieren, hilft es, Atemübungen regelmässig in den Alltag zu integrieren. Eine einfache Technik ist die 5:5-Atmung:
- Einatmen: Zähle langsam bis 5.
- Ausatmen: Zähle wieder langsam bis 5.
Diese Übung führt automatisch zu einer Frequenz von sechs Atemzügen pro Minute und versetzt das Nervensystem in einen Zustand der Entspannung.
Dein Atem als täglicher Begleiter
Höre immer wieder bewusst in deinen Atem hinein. Wie atmest du? Flach und schnell oder tief und langsam? Schon wenige Minuten gezielte Bauchatmung können helfen, Stress abzubauen und die Konzentration zu steigern – sei es vor dem nächsten Wettkampf, in einer stressigen Trainingseinheit oder im Alltag. Mit einem Mundtape in der Nacht, wird zudem während dem Schlaf die Nasenatmung trainiert, welche in starker Verbindung steht zur Bauchatmung.
Fazit: Dein Atem ist dein Werkzeug
Atmen ist viel mehr als ein unbewusster Reflex. Für Athleten und Coaches liegt im bewussten Umgang mit der Atmung ein enormes Potenzial. Die Zwerchfellatmung, eine langsame Atemfrequenz und gezielte Übungen können nicht nur die Leistungsfähigkeit steigern, sondern auch die Regeneration fördern und Stress reduzieren.
Also: Nimm dir Zeit für deinen Atem – er begleitet dich schliesslich dein ganzes Leben. Und wer weiss, vielleicht atmest du bald bewusster, entspannter und effektiver. Viel Spass beim Ausprobieren! 😊
Wenn du deine Atmung verbessern willst, probier doch mal eine meiner Meditationsanleitung.
Quellen
- Martarelli D, et al. Diaphragmatic Breathing Reduces Exercise-Induced Oxidative Stress.
- Deutsches Ärzteblatt. Funktionelle Atemstörungen – Das Hyperventilationssyndrom.
- Russo MA, et al. The physiological effects of slow breathing in the healthy human.
- Li C, et al. Effects of slow breathing rate on heart rate variability and arterial baroreflex sensitivity in essential hypertension.